VIDEONALE.scope #4

Scope #4
Lutz Mommartz, *Dreharbeit*, 1982; Courtesy Lutz Mommartz

50 Jahre filmischer Underground am Rhein

Die VIDEONALE.scope zeigt die Filmkünstler Wilhelm Hein und Lutz Mommartz mit klassischen und neuen Werken

Eine Kurzfilmreihe der Videonale Bonn
Kuratiert von Daniel Kothenschulte

Lutz Mommartz
Das Jahr 1967 erweckte manche Ausbruchsutopie. In Düsseldorf beschloss ein Oberinspektor des städtischen Bauamts, dass er ein Experimentalfilmer werden wollte. Er besorgte sich eine 16mm-Kamera, und bis zum Anmeldeschluss des wichtigsten Avantgardefilmfestivals im belgischen Knokke hatte er vier Kurzfilme fertig. Drei davon wurden angenommen, zwei liefen im Wettbewerb und einer mit dem Titel „Selbstschüsse“ gewann den 2. Preis, gleich hinter Michael Snows Klassiker „Wavelength“. Auf einen Schlag hatte der 33-jährige Lutz Mommartz einen Namen in der kleinen, aber internationalen Welt des Experimentalfilms. Lutz Mommartz (geb. 1934) blieb noch sieben Jahre Oberinspektor. Dann widmete er sich ganz der Filmkunst, von 1978 bis 1999 lehrte er als Filmprofessor an der Kunstakademie Münster.

Birgit Hein
Ebenfalls in den Wettbewerb von Knokke eingeladen war das Kölner Ehepaar Birgit und Wilhelm Hein. „Nicht zuletzt durch Knokke hat die Gründung von XSCREEN stattgefunden“, erinnerte sich Birgit Hein später, „wo wir angefangen haben, internationale Filmemacher nach Köln einzuladen.“

Nachdem VIDEONALE.scope Birgit Hein bereits 2013 eine umfassende Werkschau gewidmet hat, sind nun Wilhelm Hein und Lutz Mommartz Gäste und Thema der Filmreihe, die die Videonale Bonn jährlich im November in Köln veranstaltet. Fast genau fünf Jahrzehnte nach der künstlerischen Explosion, die das Bewegtbild um 1967 weltweit erlebte, begegnen wir zwei rheinischen Film-Avantgardisten, die bis heute in diesem Medium arbeiten.

Wilhelm Hein (geb. 1940), der mit Birgit Hein 1972 und 1977 an der Documenta teilnahm, vollendete 2013 den epischen 16mm-Experimentalfilm „You Killed the Undergroundfilm Or The Real Meaning of Kunst bleibt ...bleibt...“, an dem er seit 2002 gearbeitet hatte. Erstmals sind in Köln zwei Teile des etwa 12-stündigen Gesamtwerks zu sehen, flankiert von Heins neusten Video-Arbeiten als Weltpremiere: „Das große und das kleine Tohuwabohu, Rolle 23 und 96.“ Als 16mm-Performance mit Live-Musik laufen weiterhin die „Doppelprojektionen 1-4“. Heins autobiographisch gefärbtes Filmwerk verschmilzt eine ganze Bandbreite von Ausdrucksformen des Avantgardefilms: Found-Footage, strukturelle Elemente und dokumentarische Bilder verbinden sich zu performativen Montagen, die sich durch den Einsatz von zugespielten Toncollagen stets erneuern. Hein, der die Kölner Vorführungen persönlich leitet, ist einer der weltweit führenden Vertreter der Film-Performance.

Auch im Werk von Lutz Mommartz zählt jedes Einzelbild, auch wenn eine neo-dadaistische Grundhaltung der formalen Perfektion die Strenge nimmt. Jeder seiner frühen Filme ist anders, jeder basiert auf einer anderen Idee: In scheinbarer Naivität erfindet er das Kino ständig neu: In „Selbstschüsse“ (1967) wirft er die Kamera in die Luft und fängt sie auf – „und konnte“, wie er selbst formuliert, „meine Abneigung gegen den herkömmlichen Film zeigen und meine eigenen Grenzen überspringen.“ In „Eisenbahn“ (1967) zieht eine scheinbar endlose Landschaft an einem Zugfenster vorbei, und ist doch nur eine geschickt montierte Endlosschleife. 2007 hatte Michel Gondry die gleiche Idee bei seinem Musikvideo „Star Guitar“. Die namhaftesten deutschen Filmkritiker jener Zeit, Uwe Nettelbeck, Peter W. Jansen, Ulrich Gregor oder Gertrud Koch schwärmten von Mommartz. Und was Enno Patalas 1968 über „Eisenbahn“ schrieb, lässt sich für viele seiner Filme sagen: „Der virtuell endlose Film erscheint zunächst als ein Witz, dann als ein Appell zum Hinsehen und zur Analyse, schließlich als Medium einer Suggestion, die zum Rausch führt.“ Mommartz’ spielerische Anarchie machte ihn zu einem Seelenverwandten Sigmar Polkes, dem er im 8mm-Film „Der schöne Sigmar“ (1971) ein Denkmal setzte. Und ließ ihn zugleich die linke Gegenkultur filmisch begleiten („Mietersolidarität“, 1970). Ende der siebziger Jahre fand Mommartz zu epischen Erzählformen, so frei, humorvoll und persönlich wie seine kurzen Filme. Mit dem amerikanischen Genrestar Eddie Constantine drehte er das experimentelle Roadmovie „Tango durch Deutschland“ (1980); auf 156-Minuten bringt es sein Essay über Landschaft und Leute am Niederrein, der einen Bundesfilmpreis erhielt. Beide selten gezeigten Filme sind nun wieder zu entdecken.

EINTRITT
6 Euro / 4 Euro (ermäßigt)
Kombi-Ticket (2 Scope-Programme) = 10 Euro
sKombi-Ticket (2 Scope-Programme) ermäßigt = 6 Euro

Videodokumentation Scope #4

Programm Scope #4 im Überblick

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