VIDEONALE.scope #5
Retrospektiven: Sharon Lockhart und Kevin Jerome Everson
Im Filmclub 813 / Filmpalette / Temporary Gallery, Zentrum für zeitgenössische Kunst
Eine Kurzfilmreihe der Videonale Bonn
Kuratiert von Katrin Mundt
Die beiden Künstler*innen, die in der diesjährigen Ausgabe von VIDEONALE.scope gewürdigt werden, verbindet mehr als ihre US-amerikanische Herkunft. Sharon Lockhart (*1964 in Norwood, MA) und Kevin Jerome Everson (*1965 in Mansfield, OH) entwerfen in ihren Filmen Porträts unserer Gegenwart, die auf formal eigenständige Weise dokumentarische, fiktionale und theatrale Traditionen zusammenführen. Sie zeigen uns vorgefundene Orte, die zu Schauplätzen werden, an denen reale Personen agieren, die immer mehr sind als einfach nur "sie selbst". Sie arbeiten mit Inszenierung und Reenactment, erzeugen Dehnungen und Verdichtungen von Zeit und spielen mit der Materialität von Bild, Ton und filmischem Prozess, um Wirklichkeit neu zu erzählen.
Sharon Lockhart
Sharon Lockhart geht in ihren Filmen von Beobachtungen vorgefundener Handlungen oder Szenen aus – Kinder beim Spiel, Bauern bei der Feldarbeit, Sportlerinnen beim Training, ein Opernpublikum bei der Vorstellung – und verdichtet sie zu filmischen Alltagschoreografien. Ganz deutlich klingen in ihnen die Traditionen von Avantgarde- und ethnografischem Film sowie die des postmodernen Tanzes nach. Durch eine präzise Rahmung, die Verwendung langer, statischer Einstellungen und subtile technische und dramaturgische Eingriffe erzeugt sie Szenen, die uns als Betrachter*innen unmittelbar einbeziehen, auch wenn uns die Orte und Akteur*innen fremd sind. Ihre Werke zeichnen sich durch eine besondere Zeitlichkeit aus, die die Erfahrung des Sehens selbst zum Ereignis macht, und eine Art von Bühnenhaftigkeit, die nicht nur das Sichtbare rahmt, sondern auch das Unsichtbare und Ausgeschlossene immer mit ins Spiel bringt.
Kevin Jerome Everson
In einer eigenwilligen filmischen Sprache, in der sich dokumentarische und experimentelle Traditionen mit Einflüssen aus Skulptur und Malerei verbinden, umkreist Kevin Jerome Eversons Werk das Alltagsleben der afroamerikanischen Working Class. Er entwirft Porträts von Personen und Orten, die bei aller Nähe und Intimität der Betrachtung immer auch als ein Spiel mit unterschiedlichen Formen der Inszenierung erkennbar sind. Sein Interesse gilt dabei nicht der Entfaltung einer Erzählung, sondern einzelner Szenen – sowohl vorgefundener als auch orchestrierter. Die Rhythmen der Arbeit, die Ästhetik routiniert vollzogener Alltagsgesten, die Räume und Artefakte, Redeweisen und Akzente seiner Protagonist*innen sowie nicht zuletzt die sichtbaren und unsichtbaren Verwerfungen in den Alltagslandschaften Amerikas verbinden sich in Eversons Filmen zu einem Bildatlas von Gemeinschaften in Bewegung.