Elektronenströme

Der Bildungstrieb der Stoffe

Ein Vortrag von Jürgen Reble

Mittwoch, 7. September 2011, 19.00h
Auditorium des Kunstmuseums Bonn
Freier Eintritt

Ein Vortrag von Jürgen Reble über seine Forschungsarbeit der letzten 30 Jahre im Bereich Film.

Film als Repräsentant der stofflichen Welt ist niemals fixierbar!

"Farben und Formen sind vorübergehende Erscheinungen, die in uns Spuren hinterlassen auf Grund derer wir uns an Vergangenes und Zukünftiges erinnert fühlen. Ihre ephemeren Konstellationen geben aber auch Aufschluß über die Zusammensetzung und Befindlichkeit des Kosmos.

Zum Aspekt der Vergänglichkeit: Ich spüre kein verstärktes Bedürfnis, meine Arbeiten in fest definierten Formen und Zuständen zu präsentieren. Meine Idee ist die des Prozesses. Solange wir die Welt um uns herum mit den Augen abtasten, erleben wir eine flüchtige Welt voller Schatten, die sich ständig neu formiert. Daran übt sich das Auge und ist seinerseits kreativ tätig, indem es die innerlich gefestigte auf die äußerlich flüchtige projeziert und dabei das innere Bild ständig leicht korrigiert. Im Traum beginnt dann das Erlebte, ein Eigenleben zu führen und projeziert sich selbst. So ähnlich geht es mir mit meinen Filmen. Bilder, die vor Jahren als Kopie veröffentlicht wurden, sehen im Original inzwischen völlig verändert aus oder sind sogar annähernd verschwunden. Das ist das eigentlich interessante bei der Arbeit, zu sehen, wie die Formen und Farben sich in einem ständigen Fluss befinden. Und gleichzeitig damit verändern sich auch die Bedeutungen und Bezüge innerhalb der Bildgefüge. Das Objekt wird erneut zum Subjekt der Betrachtung und wieder entdeckt man neue Spuren, die man vorübergehend verfolgt.

Film, betrachtet als Stoffwechselprozess, ist anthropomorph gegenüber der digitalen Welt.

Diese Laboratmosphäre, der eine rein natürliche Neugier zugrunde liegt, versuche ich sowohl in der Film Performance "Alchemie" als auch in der Installation "Das galaktische Zentrum" zu erzeugen. Der Zuschauer soll spüren, dass Strukturen und Formen, die sich soeben anlagern eben in diesem Augenblick Erscheinung werden aber dass sie noch nicht zuende gedacht und entwickelt sind. Es Entstehen und Vergehen Texturen und Formen die in dieser Anordnung nicht wieder kommen. Die Möglichkeiten der Anordnung von Atomen und Molekülen ist unendlich. Wenn überhaupt ein Wissen die Menschheit überlebt dann ist es dasjenige, das bereits seit Äonen in der Materie vorhanden ist. Schon Aristoteles hat vermutet, dass die Materie an sich keine Wirklichkeit besitzt, dass sie aber die Möglichkeit hat, durch Bildung einer Form Wirklichkeit zu werden. Daraus zog er den Schluss, dass die Form die treibende Kraft ist, die die Materie erst zwingt, Gestalt anzunehmen. In diesem Sinne versuche ich, dem Material eine Botschaft zu entlocken, die bereits latent vorhanden ist und nur darauf wartet, im geeigneten Moment hervorgehoben und betrachtet zu werden. Der Bildungstrieb der Stoffe ist dabei auf meiner Seite. Die zur Verfügung stehende Energie in den Substanzen ist nahezu unerschöpflich und bleibt erhalten. Sie wird die Form im Lauf der Zeit vorantreiben. Ich selbst fühle mich dabei meist nur als Medium, das sich für das Verlangen der Materie zur Verfügung stellt.

Um mich von dem hohlen Begriff Medienkunst abzugrenzen erkläre ich hiermit die Materie zur Kunst und mich selbst zum Medium." (Jürgen Reble)

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